Weltbürger


Von Shoghi Effendi (1897-1957), der älteste Enkel von 'Abdu'l-Bahá.  In seinem Testament ernannte 'Abdu'l-Bahá ihn als Hüter der Sache.  Von 1921-1957 leitete er in unermüdlicher Weise die Verwaltung der Bahá'í-Religion.

... Laßt sie (die Menschheit) ein für allemal jeden voreingenommenen Gedanken, jedes nationale Vorurteil beiseite setzen und auf den erhabenen Rat 'Abdu'l-Bahá achten... "Du kannst am besten deinem Lande dienen", war 'Abdu'l-Bahas Erwiderung an einem hohen Beamten im Dienste der Bundesregierung der Vereinigten Staaten, der Ihn über die beste Art, wie er das Wohl seines Staates und Volkes fördern könnte, befragt hatte, " wenn du danach strebst, in deiner Eigenschaft als Weltbürger bei der allmählichen Anwendung des in der Regierung deines eigenen Landes herrschenden Grundsatzes des Föderalismus auf die jetzt zwischen Völkern und Nationen bestehenden Beziehungen mitzuhelfen"...

Laßt hier keine Besorgnisse aufkommen wegen der Erreichung des belebenden Zieles des weltumfassenden Gesetztes von Bahá'u'lláh. Weit davon entfern, auf den Umsturz der bestehenden Grundlagen der Gesellschaft abzuzielen, sucht es ihre Basis zu erweitern, ihre Einrichtungen in einer den Bedürfnissen der immer sich wandelnden Welt angepsßten Art umzuformen. Es kann mit keinen gesetzlichen Untertanenpflichten in Widerstreit geraten noch das Wesen ihrer Treue untergraben. Sein Ziel ist, weder die Flamme einer gesunden und verständigen Vaterlandsliebe in den Menschenherzen zu ersticken noch das System nationaler Selbstständigkeit abzuschaffen, das so wichtig ist, wenn die Übel übertriebener Zentralisierung vermieden werden sollen. Es kennt sehr wohl die Unterschiede völkischen Ursprungs, des Klimas, der Geschichte, der Sprache und der Überlieferung, der Denkweise und der Grbräuche, welche die Völker und Nationen der Welt verschieden sein lassen, und ist nicht bemüht, sie zu unterdrücken. Es ruft uns zu einer erweiterten Treuepflicht, zu einer größeren Sehnsucht als irgendeines, das seither das Menschengeschlecht beseelt hat...

Der Ruf Bahá'u'lláh ist in erster Linie gegen alle Formen von Provinzlertum, Abgeschlossenheit und Vorurteile gerichtet...

Seine Botschaft ist nicht nur für den Einzelmenschen da, sondern betrifft an und für sich in erster Linie die Natur jener wesentlichen Verwandschaften, die alle Staaten und Nationen als Glieder einer Menschenfamilie binden müssen...

Daß allein die Wucht einer Weltkatastrophe einen so neuen Entwicklungsgang menschlichen Denkens beschleunigen kann, wird leider mehr und mehr klar... Nichts als eine Freuerprobe, aus der die Menschheit gezüchtigt und vorbereitet hervorgehen wird, vermag diesen Verantwortungssinn ihr einzupflanzen, wie ihn die Führer eines neugeborenen Zeitalters auf ihre Schultern nehmen müssen.

... Hat nicht 'Abdu'l-Bahá in unmißverständlicher Sprache versichert, daß "ein neuer Krieg, grausamer als der letzte, ausbrechen wird"?1

1 Shoghi Effendi, 28 November 1931